06. 10. 2025
Kündigung während der Wiedereingliederung – Darf der Arbeitgeber das?

Die stufenweise Wiedereingliederung soll längerfristig erkrankten Menschen die Rückkehr ins Arbeitsleben erleichtern. Doch darf der Arbeitgeber auch während dieser Zeit eine Kündigung aussprechen?

Das Wichtigste in der Zusammenfassung: Ihr Arbeitgeber darf Ihnen auch während einer Wiedereingliederung kündigen, allerdings sind die Hürden dafür dank des Kündigungsschutzes sehr hoch. Nicht zu verwechseln ist eine Kündigung mit der Beendigung der Wiedereingliederung an sich, die nicht zu einer Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses führt.

In jedem Fall rate ich Ihnen, sich bei einer Kündigung während einer Wiedereingliederung schnellstmöglich an einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu wenden, da diese häufig viel Angriffsfläche für eine Kündigungsschutzklage bieten.

Hintergrund: So ist die Wiedereingliederung arbeitsrechtlich geregelt

Die stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag nach dem „Hamburger Modell“ wurde entwickelt, um länger ausgefallenen Arbeitnehmern eine schrittweise Rückkehr ins Arbeitsleben zu ermöglichen.

Sie kommt dann in Frage, wenn Ihr Arzt Ihnen bescheinigt, dass Sie trotz Arbeitsunfähigkeit Ihre bisherige Arbeit teilweise wieder aufnehmen können.

Die stufenweise Wiedereingliederung – häufig im Rahmen des sogenannten Hamburger Modells – ist ein freiwilliges Angebot. Weder Sie noch Ihr Arbeitgeber sind verpflichtet, eine solche Maßnahme durchzuführen. Ihr Arbeitgeber muss Ihnen allerdings unabhängig davon ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (insbesondere bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit).

In der Praxis wird das BEM häufig genutzt, um gemeinsam mit der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer eine stufenweise Wiedereingliederung zu planen. Es steht Ihnen aber selbstverständlich frei, dieses Angebot anzunehmen oder abzulehnen.

Wichtig für das Verständnis ist, dass eine stufenweise Wiedereingliederung abgetrennt von Ihrem Arbeitsverhältnis betrachtet werden muss.

Während der Wiedereingliederung ruhen die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses, also sowohl die Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung als auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Sie sind also nicht zur vollen Arbeitsleistung verpflichtet und erhalten dafür in der Regel Krankengeld von der Krankenkasse oder Übergangsgeld von der Rentenversicherung. An Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag bleiben Sie grundsätzlich gebunden.

Eine Beendigung der Wiedereingliederung ist einfach – aber keine Kündigung!

Viele Arbeitnehmer sind verunsichert, wenn ihr Arbeitgeber die Wiedereingliederung trotz weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit beendet.

Hierbei ist zu betonen, dass eine Beendigung der Wiedereingliederung an sich keinesfalls gleichbedeutend mit einer Kündigung ist.

Die Wiedereingliederung kann abgebrochen werden – sei es durch Sie als Arbeitnehmer, Ihren Arbeitgeber, Ihren Arzt oder den Versicherungsträger. Bei einem Abbruch durch den Arbeitgeber ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob er damit eventuell gegen seine Pflichten zum Angebot eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) verstößt. Dokumentieren Sie am besten alle Vorgänge dazu genau, da dies im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung oft wertvoll ist.

Die Wiedereingliederung darf aus gesundheitlichen oder betrieblichen Gründen für bis zu sieben Tage unterbrochen werden. Eine längere Unterbrechung führt zum Abbruch der Maßnahme.

Ist eine Kündigung während der Wiedereingliederung möglich?

Wie bereits ausgeführt, ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses streng von der Beendigung der Wiedereingliederung zu unterscheiden. Die Beendigung der Wiedereingliederung führt nicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dafür ist eine gesonderte Kündigungserklärung notwendig.

Über die Kündigung wegen Krankheit habe ich vor Kurzem einen detaillierten Beitrag geschrieben. Die gesetzlichen Hürden hierfür sind sehr hoch. Grob zusammengefasst müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es gibt eine negative Gesundheitsprognose.
  2. Aufgrund Ihrer Fehlzeiten sind die betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen Ihres Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt.
  3. Es muss geprüft worden sein, ob dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände – insbesondere nach Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) – die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses weiterhin zumutbar ist.

Mehr dazu entnehmen Sie dem oben verlinkten Beitrag.

Unberührt davon ist eine außerordentliche Kündigung, sofern ein wichtiger Grund hierfür vorliegt. Auch darüber können Sie im verlinkten Beitrag mehr erfahren.

Als Arbeitnehmer können Sie während einer Wiedereingliederung wiederum unter Einhaltung der Kündigungsfrist ordentlich kündigen.

Mir wurde während der Wiedereingliederung gekündigt, was kann ich nun tun?

Wurde Ihnen während der Wiedereingliederung ordentlich gekündigt, handelt es sich erfahrungsgemäß oftmals um eine krankheitsbedingte Kündigung. Aufgrund der sehr hohen Hürden, die Arbeitgeber überwinden müssen, damit diese rechtmäßig ist, gibt es hier oft eine besonders große Chance, erfolgreich gegen diese vorzugehen.

Wenden Sie sich am besten direkt an einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Als solcher kann ich Ihnen meistens im ersten Gespräch direkt eine erste, unverbindliche Einschätzung über Ihre Erfolgsaussichten geben.

Im Falle einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage haben Sie grundsätzlich einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. In der Praxis einigen sich die Parteien in vielen Fällen im Laufe des Verfahrens auf einen Vergleich, in dem gegen Zahlung einer Abfindung auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingewirkt wird.